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DIEZ-FREIENDIEZ/RHEIN-LAHN. (6. August 2010) Seinen Hobbies, etwa dem detailgetreuen Basteln berühmter Gotteshäuser oder auch der Illustration von Märchen, kann sich Hans-Otto Rether demnächst intensiver widmen: der noch 64-jährige Theologe tritt Ende des Monats seinen Ruhestand an. Am 14. August wird er in einem Gottesdienst feierlich als Pfarrer der evangelischen Jakobusgemeinde Diez-Freiendiez und als Dekan verabschiedet.
37Jahre war Hans-Otto Rether Pfarrer der evangelischen Jakobusgemeinde, seit 1999 außerdem Dekan des evangelischen Dekanates Diez. Eine rekordverdächtige Zeitspanne, in der knapp 300 Trauungen, 800 Taufen und 1000 Konfirmanden zusammenkamen; 1300 Gemeindeglieder hat er beerdigt. Den Menschen zugewandt das Evangelium zu verkündigen, stand dabei stets im Mittelpunkt und war zugleich die Antriebsfeder für seinen Dienst in Gemeinde und Dekanat.
Waren Kindheit und Jugend noch von etlichen Umzügen geprägt – geboren ist der Sohn eines Arztes und einer Lehrerin in Alsfeld, konfirmiert wurde er im Ruhrgebiet, das Abitur absolvierte er in Pforzheim – blieb er Diez in seiner ganzen Dienstzeit treu; es war die erste und letzte Gemeindepfarrstelle nach seinem Theologiestudium in Tübingen und Marburg. „Das dürfte sicher nicht gegen die Region sprechen“, schmunzelt der künftige Pensionär. Auch die eigene Trauung und die Geburt der vier Kinder haben Diez zur Heimat gemacht.
Dabei wurde der 27-Jährige damals nach dem Vikariat in Guntersblum und Bensheim mit seinem Dienstantritt an der Lahn „ins kalte Wasser“ geworfen. „Von Kindergärten hatte ich damals überhaupt keine Ahnung“, erinnert sich Rether. Gleich zwei davon sind in Trägerschaft der Kirchengemeinde. Also machte er sich kundig. Er studierte Literatur, suchte das Gespräch mit allen kirchlichen Mitarbeitern, hörte auf die Unterstützung des Rentamtes und schaute sich in anderen Gemeinden um. Informieren, sehen und hören, um Sachverhalte und Personen sowie deren Bedürfnisse einschätzen zu können, sind Eigenschaften, mit denen er seine Leitungsaufgaben in all den Jahrzehnten wahrgenommen hat, auch in unzähligen Gremiensitzungen. Dabei war er nie ein Freund von Hauruckverfahren und -entscheidungen; „Ich habe mich mehr als Moderator und Katalysator verstanden.“
Dem gemeindlichen Nachwuchs das Wort Gottes kindgemäß nahzubringen, pflegte der Theologe ebenso im sonntäglichen Kindergottesdienst. 30 Jahre hatte er die Aufgabe allein übernommen. „Damals wie heute sind immer wieder neue Ideen für ein attraktives Angebot gefragt“, so Rether. „Man darf nicht immer nur auf die Zahlen gucken; ich habe auch für fünf Bewohner des Altenheims einen Gottesdienst gehalten.“ Nie wollte er der Gemeinde etwas „überstülpen“. „Vieles in der Gemeindearbeit entwickelt sich, indem man es ausprobiert.“ Entscheidend für die Arbeit jedes Pfarrers bleibt für ihn der persönliche Kontakt: „Man muss auf die Leute eingehen, auf deren Probleme und Fragen“, so Rether. Das galt für die Kasualien ebenso wie für Gottesdienst und Gremienarbeit. Heutige Lebensfragen im Spiegel der Bibel zu betrachten, heißt Rethers theologische Devise.
Von der ideologisch gefärbten Brille hielt Rether auch als Dekan nichts. Gründliche Vorbereitung war ihm wichtiger. „Man muss etwa eine Synode in die Lage versetzen, ausreichend informiert und begründet zu entscheiden.“ Das Dekane-Amt habe sich stark verändert in den vergangenen Jahren. Die Erkenntnis, nicht alles allein zu können, gelte nicht nur für jeden Menschen, sondern auch für eine Kirchengemeinde. Der Fortbildung der Mitarbeiter, Angeboten zur Erwachsenenbildung, Hintergrundinformationen für Kirchenvorstände und Pfarrer seien wichtige Voraussetzungen, damit „die evangelische Stimme in unserer Region zum Wohl der hier lebenden Menschen zur Geltung kommt“, so Rether. Dem diene auch das stets konstruktive Miteinander mit staatlichen Stellen.
Was nach 37 Jahren an Positivem zustande kam an Projekten, Entwicklungen, Baumaßnahmen, Festen oder Ausstellungen würde ganze Seiten füllen. Vor allem die Bibelarbeit, das kollegiale Miteinander im Konvent und die Kirchenmusik bleiben Rether, der selbst Organist ist, in bester Erinnerung. Und für alles, was nicht fertig geworden sein sollte, zeigt er auf den von ihm aus Papier gebastelten imposanten Wiener Stephansdom. „Sein Nordturm wurde nicht fertig, und doch gibt es ein Ergebnis – ein Gleichnis für Lebensarbeit und Leben überhaupt“, sagt der Theologe, der gern mit Symbolen und Bildern in seinen Vorträgen und Predigten arbeitete.
Architektur und Basteln sind nicht die einzigen Steckenpferde Rethers. Seit seinem vierten Lebensjahr zeichnet er. "Das hat mir die Mutter beigebracht." Vielleicht bleibt dem passionierten Zeichner jetzt auch mehr Zeit, das ein oder andere Märchen pointiert zu illustrieren; ein Hobby, das ihm auch während seines Dienstes immer wieder zu passe kam, um Geschichten bildhaft darzustellen und die entscheidenden Thesen und Aussagen zeichnerisch in den Fokus zu rücken. Bernd-Christoph Matern
Der Abschiedsgottesdienst für Dekan Hans-Otto Rether am Samstag, 14. August mit Propst Dr. Sigurd Rink und dem Pfarrkonvent des Dekanates beginnt um 14 Uhr in der evangelischen Jakobuskirche Diez-Freiendiez.
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